Die rasanten Fortschritte im digitalen Zeitalter haben nicht nur unsere Art zu kommunizieren verändert, sondern auch die Erwartungen an Behörden und öffentliche Institutionen neu definiert. Social Media ist kein vorübergehender Trend: 2,6 Milliarden Menschen nutzten täglich die Dienste von Facebook im Jahr 2021. In Deutschland verwendeten 89 % der Internetnutzer:innen ab 16 Jahren Social Media im Jahr 2022. Mehr als die Hälfte der unter 30-Jährigen wüsste laut einer Bitkom-Umfrage in eigenen Worten ohne soziale Netzwerke nicht, was in der Welt geschieht. In einer Zeit, in der Bürger:innen sich hauptsächlich online und in sozialen Medien informieren, jedoch kaum Zeit aufgewendet wird Pressemitteilungen zu lesen und Lokalzeitungen unattraktiver werden, müssen sich Behörden eingehend mit der Frage beschäftigen, wie sie durch geschickte Nutzung sozialer Medien ein relevanter Akteur in der öffentlichen Kommunikation bleiben. 86,6 Prozent der öffentlichen Verwaltungen sind mittlerweile auf Social Media aktiv (Kröpfl 2020). Zentrale Potentiale, die Social Media bietet, wie Dialoggestaltung oder aktive Partizipationsmöglichkeiten, werden nach Forschungsergebnissen jedoch bis jetzt kaum genutzt.
Social Media mit Strategie
Ziel dieses Artikels ist es, Verantwortlichen in der Verwaltung Wege aufzuzeigen, eine Social Media Strategie entwickeln zu können, die den Bedürfnissen, Zielen und Anforderungen in der eigenen Kommune gerecht wird. Wir erörtern, welche Möglichkeiten Social Media bietet, Vertrauen zurückzugewinnen, als Arbeitgeber beliebt zu sein, auch in schwierigeren Zeiten souverän zu agieren und wie auch mit geringen Ressourcen der erfolgreiche Auftritt gelingt.
Um qualifizierte Antworten auf unsere Fragen zu erhalten, haben wir mit mehreren Expertinnen gesprochen:
Daniela Vey ist Informationsdesignerin und seit 2004 unter dem Label infodesignerin.de als Designerin und Social Media Expertin tätig. Sie unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und hält regelmäßig Seminare zu Social Media, berät neben anderen renommierten Kunden auch Städte & Gemeinden.
Julia Lupp leitet den Stabsbereich im Landratsamt des Rheingau-Taunus-Kreises, in den auch die Stabsstelle Kommunikation fällt. Sie war über 12 Jahre lang Kommunikationsberaterin und seit 2020 Pressesprecherin und Social-Media-Verantwortliche für die Stadt Taunusstein. Sie hat mit einem Partner nebenberuflich das Start-Up Amtshelden gegründet – Smartlearning für gutes Behörden-Social-Media. Sie betreibt seit 2 Jahren den Podcast Kleinstadtniveau und tritt auf unterschiedlichen Konferenzen als Speakerin auf.
Anna Carla Springob ist Spezialistin für Personalmarketing in der Stabsstelle Presse und Kommunikation des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW. Mit ihrer Expertise als langjährige Social-Media-Managerin u.a. für eine Landesmittelbehörde hilft sie Behörden z.B. mit Seminaren zu Themen der (digitalen) Behördenkommunikation.
Nur ein “nice to have”?
Sichtbarkeit und Transparenz: Wenn Behörden ihren Informationspflichten nachkommen möchten, müssen sie möglichst nah an den Bürgern sein, deren Bedürfnisse kennen und auf den Plattformen aktiv partizipieren, wo auch die Bürger:innen sind. Dass Bürger:innen mittlerweile Social Media Präsenz von Behörden erwarten, haben Studien bereits 2011 festgestellt. Gerade unter-40-Jährige sind weniger über klassische Medien zu erreichen, sondern suchen sich Informationen eher über Social Media (Germann, Ainetter 2021, S.13). Laut Statista nutzen die meisten Deutschen, um sich zu informieren, das Internet (77,6%) und nur 50,9% die Zeitung. Gedruckte Zeitungen oder lineare Nachrichten sind bei vielen “Digital Natives” out, es sei denn, sie werden online oder über Social Media Kanäle ausgespielt. Anna-Carla Springob erzählt uns, dass die meisten Bürger:innen keine Amtsblätter lesen, insbesondere Jüngere keine Lokalzeitung. Viele Zielgruppen erreicht die Behörde nicht mit Informationen, wenn sie auf den Plattformen nicht präsent ist: “Wenn ich auf Social Media nicht stattfinde, gibt es mich quasi für bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht, weder als Arbeitgeber, noch meine Informationen.” Daniela ergänzt: “Wenn ihr Social Media macht, müsst ihr an einer Beziehung mit euren Followern interessiert sein. Man sollte immer irgendeine Reaktion zeigen, zumindest ein Like oder ein Danke. „Wenn ich nicht reagiere, werde ich nicht gesehen.”
Vertrauen: Laut einer Forsa-Umfrage ist das Vertrauen der Deutschen in alle politischen Institutionen auf einem Tiefpunkt. Den Menschen fehlt Orientierung, Führung und 69 % sehen den Staat als überfordert an. “Wenn man nicht mit Bürger:innen kommuniziert, herrscht eine Orientierungskrise“, erklärt Julia Lupp. Verlässlichkeit und Vertrauen müssen über konsequentes Beziehungsmanagement aufgebaut werden. Verantwortliche müssen Zusammenhänge verständlich erklären. Eine präsente Behördenleitung kann viel Vertrauen schaffen. “Social Media bietet die Möglichkeit, Vertrauen zurückzugewinnen, wenn es konsequent für bürgernahe, direkte Kommunikation genutzt wird“, erklärt Julia Lupp. Die sozialen Medien bieten einen Kanal, niedrigschwellig mit Bürger:innen in Kontakt zu treten, schnell und zielgerichtet zu agieren und verlässlich zu informieren, mehr noch: zuzuhören und in Dialog zu treten.. Es eröffnet sich ein Feld von Online-Partizipation und der Einbindung der Bevölkerung in kommunalpolitische Prozesse. Möglichkeiten der persönlichen Kontaktaufnahme, des Beziehungsmanagements, der Online-Beteiligungsprozesse bieten sich, lautet ein Ergebnis einer Studie des ÖFIT. 43 Prozent der Generation U30 sagen laut einer Bitkom-Studie: Soziale Netzwerke haben Einfluss auf meine politische Meinung.
“Mit Social Media haben wir einen Kanal, mit dem wir direkt in die Bürgerschaft kommen, auch Bürger erreichen, die von sich aus vielleicht nichts mit dem Staat zu tun haben wollen.”
– Julia Lupp
Die Plattformen bieten insofern eine Möglichkeit, Vertrauen proaktiv zurückzuholen, und das über Information und Dialog.
Attraktivität: Es gilt, dass das Internet und die sozialen Medien die zentralen Kommunikationskanäle der jungen Generationen Y und Z darstellen. Insbesondere Employer Branding (dt. Markenbildung) Kampagnen über das Social Web erscheinen für die Verbesserung des Arbeitgeberimages des öffentlichen Dienstes erfolgversprechend. Bereits im Jahr 2019 wurden Arbeitgeber darauf aufmerksam, dass sie sich bei den potentiellen Beschäftigten bewerben müssen. Daniela erzählt uns, dass die jungen Leute vor allem Sinn in der Arbeit suchen, eine Work-Life-Balance anstreben – das heißt, dass ihnen genug Zeit für Privates wie Berufliches wichtig ist. Die Arbeitsbedingungen in der Verwaltung seien im Vergleich schon ziemlich auf die Bedürfnisse der Jugend abgestimmt, “bei Themen wie gleiche Bezahlung, Gleichberechtigung und flexiblen Arbeitszeitmodellen sind die gut, anderen voraus”, so Daniela. Nach außen gilt der öffentliche Dienst jedoch weiterhin als wenig angesehener Arbeitgeber im Vergleich zur Privatwirtschaft (Bornschein, S.131), sodass eine aktive Vermarktung über Social Media erforderlich ist. “Social Media bietet eine riesige Reichweite und Möglichkeiten, Inhalte interessant und zielgruppengerecht zu vermitteln.” Social Media kann eine Säule für die öffentliche Verwaltung sein, um ein besseres Image als Arbeitgeber bei der jungen Generation zu gewinnen und die Personalgewinnung zu stärken.
Effizienzsteigerung: Anfragen können über soziale Netzwerke direkt gestellt werden, sodass es weniger Telefonate oder Rathausbesuche bedarf. Daniela erzählt uns, dass Gemeinden sie manchmal anfragen: “Wir haben 50 Euro Werbebudget, was können wir damit auf Social Media erreichen?“. Für einige Behörden ist es nach Daniela noch problematisch, dass “Budget abgekapselt werden muss aus den einzelnen Abteilungen, aber für eine Anzeige in der Zeitung zahlt man drei- bis vierstellige Beträge, die Reichweite ist deutlich geringer als über Social Media, und möglicherweise erreicht man gar nicht die Zielgruppe”. Wenn derselbe Betrag für Social Media Werbung aufgewendet würde, könnte man die Stellenanzeige viel genauer anpassen und die Zielgruppe viel zielgerichteter ansprechen. Ein weiteres Argument: Soziale Medien sind in Krisensituationen die einzige Option, schnell und mit großer Reichweite Informationen an die Bürger zu vermitteln, diesen auch Antworten auf drängende Fragen zu liefern, berichtet Julia Lupp.
Wo sind die Herausforderungen – und wie reagiere ich?
Zeit- und Personalbedarf: “Es gibt auch heute noch manchmal Vorbehalte, Social Media wäre keine ,vollwertige’ Arbeit: es ist aber Arbeit, man schüttelt es sich nicht aus dem Ärmel”, sagt uns Anna Carla Springob. Öffentliche Verwaltungen wollen nicht unnötig Geld, Zeit und Personal investieren. Es erfordert daneben Zeit, eine sichtbare Präsenz aufzubauen. Wenn man nicht reagiert und interagiert, wird man nicht gesehen. Es gilt die Faustformel: so viele Stellenanteile, wie die Behörde für Pressearbeit einsetzt, muss auch von den Kapazitäten für Social Media eingeplant werden, damit mehr als Copy Paste passiert. Es braucht Engagement: Leute müssen fortgebildet werden, Strategien müssen angepasst werden. Je nach Diskussionskultur koste es viel Zeit und Nerven, aber der Community-Aufbau lohne sich langfristig, weil eine wechselseitige Vertrauensbeziehung daraus werde, so Anna Carla Springob. Das Verständnis von Behördenleitungen ist erforderlich, dass es sich um vollwertige Arbeit handelt, die herausfordernd ist und Zeit kostet. Um dieses Verständnis zu erreichen, muss intern genetzwerkt und sehr viel erklärt werden. “Es lohnt sich, dass zunächst Themen angegangen werden, wo ein Mehrwert schnell erkennbar wird”, sagt Julia Lupp.
Datenschutz und rechtliche Fragen: Aus rein kommunikativer Sicht ist es keine Frage, ob man Social Media nutzen sollte. Aber “(..)daneben gibt es natürlich juristische Fragen sowie gerade im Bereich Datenschutz”, sagt uns Anna Carla Springob. Azubi-Recruiting findet vermehrt auf Instagram und TikTok statt: TikTok, aber auch sämtliche US-amerikanische Plattformen werden teils kritisch von deutschen Datenschützern betrachtet. Es gibt einschlägige Verfahren beim Thema Facebook gegen das Bundespresseamt, die gerichtlich geklärt werden müssen. “Aus kommunikativer Sicht ist es problematisch, Plattformen nicht zu nutzen als öffentlicher Dienst, wo die Bürger eben unterwegs sind.“ Ein positives Beispiel bietet die Stadt Reutlingen, die ihre Social-Media-Beiträge datenschutzkonform über die Website Stage auch Bürger:innen einsehen lässt, die nicht selbst in den sozialen Medien aktiv sind. Die Empfehlung, auf transparente Netzwerke wie Mastodon auszuweichen, sei nach Daniela zu komplex und nicht zielführend. “Die Leute sind nicht dort und man hat keine Reichweite. Für Behörden lohnt es sich schlichtweg nicht, weil mit jedem neuen Netzwerk Leute wieder in neue Tools, Videoschnitt, etc. eingearbeitet werden müssen.”
Die Angst vor dem Shitstorm: Sogenannte Stürme der Entrüstung, bei denen manche Äußerungen ins Beleidigende gehen und Zuständige einiges ertragen müssen, gibt es nicht oft. “Die meisten von uns haben keinen erlebt. Kritik kann und soll erstmal vorgetragen werden dürfen in einer Demokratie.” Davon sei natürlich das “unter die Gürtellinie gehende” zu unterscheiden. “Es gibt kein allgemeines Kuchenrezept, sondern es muss im Einzelfall geprüft werden, ob es eine Situation ist, wo ich als zuständige Person noch diskutieren kann. Wenn es z.B. die Persönlichkeitsrechte trifft, muss man es ggf. auch juristisch bewerten lassen”, erklärt Anna Carla Springob. Es gilt trotz des relativ geringen Risikos, sich vorzubereiten. Um Hatespeech keinen Raum zu geben, hilft es nach Julia Lupp, aktives Community Management von Beginn an zu betreiben, dann springe auch die Community ein und lasse sog. Internet-Trollen wenig Raum. “Hilfreich ist es, unter den Hashtags #Behördenkommunikation, #BehördenSocialMedia auf diversen Kanälen zu schauen, weil dort wahnsinnig viel behördenübergreifender Austausch stattfindet”, sagt uns Anna Carla Springob. Darüber hinaus benötigen Social-Media-Manager Rückhalt und das Wissen, dass sie nicht alleine dastehen, wenn schwierige Themen Entrüstung hervorrufen.
Mangel an strategischer Kommunikation: Nach einer aktuellen Umfrage mangelt es an strategischer Kommunikation und es gibt nur wenig Austausch unter Behörden. Um ein breiteres Bewusstsein für Social-Media-Strategien zu schaffen, ist es notwendig, aktiv über Amtsgrenzen hinweg Ideen und Konzepte zu teilen. Julia Lupp sagt uns, es ist “wahnsinnig, welche Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in Verwaltungen, gerade auf kommunaler Ebene, bei Themen wie Krisenmanagement per Social Media eigentlich da sind, jedoch weiterhin oft das Rad immer neu erfunden wird”. Seit 2021 co-hostet sie den Podcast “Kleinstadtniveau”, um mehr Kommunen in die sozialen Netzwerke zu bringen. “In vielen Kommunen betreibt die Assistenz des Bürgermeisters den Social Media Auftritt mit – das kann in den seltensten Fällen gut gehen. Meist fehlen das professionelle kommunikative Know-how und vor allem ausreichend Zeit für die vielfältigen Aufgaben.” Social Media im stillen Kämmerlein alleine zu machen, funktioniert jedoch nicht nachhaltig, sondern es ist nötig, mit anderen zu netzwerken, sich zu professionalisieren. Mit diesem Gedanken wurde “Amtshelden” entwickelt, ein 12-Wochen Smart-Learning-Programm mit dem Ansatz von “Working Out Loud”: Ein Konzept, mit dem Wissen effizienter verteilt werden soll, um somit einen besseren Wissensaustausch über Amtsgrenzen hinweg zu ermöglichen, damit die zuständigen Leute Aufgaben besser bewältigen können. Immer fünf Social-Media-Verantwortliche von Kommunen entwickeln in 12-Wochen ihr jeweils individuelles Social-Media-Konzept, im ständigen Austausch und entlang eines systematischen Programms.
Empfehlungen für den gelungenen Auftritt
Viel hilft nicht immer viel: “Es ist wichtig zu klären, wie viel ich mit meinen Ressourcen schaffe. Wenn man mit Social Media anfängt, ist es besser, einen Kanal vollwertig zu betreiben als viele halbherzig und ohne Interaktion. Dafür braucht es keine Hochglanzvideos, sondern authentische und konsequente Kommunikation”, erzählt uns Julia Lupp. Man dürfe nicht mehrere Kanäle eröffnen und dann nur jedes halbe Jahr posten. “Dann sieht es keiner und die Arbeit ist umsonst”. Ein gutes Smartphone braucht es zu Beginn als Ausstattung, zudem benötige es die Rückendeckung der Behördenleitung, falls nicht immer alles beim ersten Anlauf klappt oder es auch mal einen kritischen Kommentar gibt.
Eine Behörde muss sich klar werden, welches Thema sie schwerpunktmäßig bespielen möchte, wen sie erreichen möchte und über welche Plattform das am besten funktioniert. “Es gibt kein Schema F, das für alle funktioniert”, sagt Daniela. “Empfehlenswert ist es, mit populären Themen wie zum Beispiel Tourismus oder im Falle des Zoos Wilhelma mit süßen Tieren zu punkten, um Relevanz und Sichtbarkeit zu erzielen.” Dann gehe es aber vor allem darum, die richtigen Leute zu erreichen. 5.000 Fans, von denen keiner reagiert, sind nicht die goldene Gradzahl, sondern Interaktion. “Wenn Social Recruiting betrieben wird, geht es vor allem um die Anzahl an Bewerbungen, die eintrifft, nicht nur um die Millionen-Views auf TikTok.” Julia Lupp rät auch dazu, “nicht direkt mit dem großen Ganzen anzufangen, sondern vielleicht erstmal konkrete Jobs zu posten, weil hier ein Mehrwert messbar wird. Wenn dann ein Grundvertrauen – vor allem innerhalb der Verwaltung – entsteht, können auch grundsätzliche und umfassendere Themen zu Stärkung der Arbeitgebermarke angegangen werden.” Für Kommunen, die starten möchten, ist es außerdem hilfreich, bei anderen zu schauen, wie sich deren Social Media-Präsenz entwickelt hat. Das geht zum Beispiel auf LinkedIn, indem man den Hashtags #Behördenkommunikation, #BehördenSocialMedia folgt.
Dialogorientierung und Sichtbarkeit: „Die menschliche Seite zu zeigen, verändert die Art der Kommunikation”, erklärt Daniela. Nur über Social Media kann man auch den sympathischen Menschen, der in einer Behörde arbeitet, vor die Kamera holen, um regelmäßig zu informieren, Arbeitsprozesse zu erklären, live in den Dialog zu treten und gemeinsam Lösungen auszuhandeln. Wenn sich der Bürgermeister oder die Amtsleitung gelegentlich selbst vor die Kamera wagt, um Situationen einzuordnen und Fragen zu beantworten, sorgt das für Verlässlichkeit und Orientierung, berichtet Julia Lupp. Als Beispiel möchten wir Nürtingen erwähnen, wo Bürger.innen Fragen in einem Kanal an den Bürgermeister stellen und sich der OB regelmäßig Zeit in einer Online-Sprechstunde nimmt, um auf Instagram aktiv darauf zu reagieren. ”Es ist essentiell, in den Dialog zu gehen, vielleicht abends auf einen Kommentar zu reagieren. So kann man sein Direktimage als bürgerorientierte Stadt wahnsinnig verbessern”, sagt Daniela.
Welches Netzwerk zu Beginn? Daniela empfiehlt momentan Instagram, weil sie hier die höchste Interaktionsrate sieht. Instagram sei mit 70 Prozent Interaktion, einer tendenziell positiven Community, die Inhalte gerne weiterleitet und interaktionsfreudig ist, eine gute Wahl zu Beginn. “Der durchschnittliche Facebook-Nutzer ist 38 Jahre, auf Instagram 28 Jahre, TikTok-User sind im Durchschnitt 20 Jahre alt. Alle zehn Jahre kommt ungefähr etwas Neues.” Spannend sei momentan auch LinkedIn für die Personalgewinnung. “Da muss ich aber eher mit einem persönlichen Profil als Amtsleitung sympathisch rüberkommen, zeigen was passiert und warum es cool ist, bei mir zu arbeiten.” “Wenn eine Behörde zum Beispiel als Ziel definiert, potentielle Auszubildende und Dual-Studierende anzusprechen, ist dies schwierig bis unmöglich auf einer Plattform wie z.B. Facebook, weil Auszubildende und Studierende hier wenig verkehren,” sagt Anna Carla Springob.
Community Management: Ein nachhaltiges Netzwerk kann nur entstehen, wenn ich von Anfang an aktiv agiere. Das beginnt, indem die Behörde mitteilt, dass sie auf der Plattform ist, z.B. geht das mit einer Verlinkung auf der Website oder QR-Codes auf Flyern etc. “Dann gilt es, Community-Aufbau zu betreiben”, so Anna Carla Springob. Man tritt mit Menschen in den Dialog, beantwortet Fragen, “hat das Ohr auf dem Gleis“, um zu hören, was da brodelt. Social Media kann ein Seismograph dafür sein, was kommt”. Manchmal treten Diskussionen auf Social Media deutlich früher auf, als sie dann auf dem klassischen Weg in die Behörden gelangen.
“Wenn sich jemand Freitagabends hinsetzt, eine Email schreibt, dann sehe ich die Montags, währenddessen findet auf Social Media bereits drei Tage Diskussion statt.”
–Anna Carla Springob
Für Anna Carla Springob ist es “Gold wert, weil ich so nah an meiner Zielgruppe bin. Es kostet Zeit und Nerven je nach Diskussionskultur, aber es lohnt sich langfristig, weil so eine wechselseitige Vertrauensbeziehung entsteht. Diese brauchen wir als Staat.”
Best Practice
Bezirksregierung Arnsberg: Anna Carla Springob nennt zum Beispiel die Entwicklung des Instagram-Accounts ihrer ehemaligen Dienststelle, der Bezirksregierung Arnsberg, wo exemplarisch ein Kanal rein für Social-Recruiting und Auszubildenden-Marketing betrieben wird. “Jeder von uns hat mal angefangen, ein Account entwickelt auch mit der Kompetenz der Mitarbeitenden.” Hier zeigt sich, dass es für den öffentlichen Dienst sinnvoll sein kann, mit einem Kanal für ein Thema zu starten, weil man dann eher Ressourcen freiräumen kann, die Behörde in ihrer ganzen Vielfalt zu zeigen. Es braucht nicht viel Werkzeug: Die Videos wurden selbst gedreht, mit dem Smartphone, Funkmikrofonen, Softboxen für die Beleuchtung, Stativ. “Das Salz in der Suppe sind ‘echte’ Menschen, die als Protagonisten vor der Kamera stehen, die ihren Arbeitsplatz authentisch zeigen”, so Anna Carla Springob.
Köln: Von diversen Städten, die sehr gute Social-Media-Kommunikation machen, könne oft adaptiert werden: Die Stadt Köln hat mit dem Format “Wat is?” sehr erfolgreich aktuelle Themen aus der Stadtverwaltung jungen Zielgruppen kanalgerecht näher gebracht, zum Beispiel mit Bürgerbüro-Mitarbeiterin “Sabine”, wo die Protagonistin beispielsweise durch die Stadt führt und aktuelle Bauprojekte zeigt, einen Einblick während der Pandemie in den Krisenstab gewährt oder mit Gastronomen während des Lockdowns spricht. Sowas kann ein Amt auch deutlich kleiner mit weniger Equipment machen, ein gutes Smartphone, gemeinsame Lust an der Sache, Zeit und Muße genügen.
Handlungsempfehlungen für eine effektive Präsenz
Es ist unumgänglich, Social Media aktiv zu nutzen, wenn die Behörde ihrer Informationspflicht ausreichend nachkommen und wissen möchte, welche Themen den Bürgern wichtig sind und welche Bedürfnisse sie haben, weil sich deren Aufmerksamkeit hier am meisten konzentriert. Außerdem ist es die beste Möglichkeit, Botschaften schnell, direkt und zielgerichtet mit großer Reichweite an die Bürger:innen zu senden. Über Social Media kann sich der Behördenmitarbeiter oder die Amtsleitung mit Bürger:innen in den Dialog setzen, Prozesse nachhaltig erklären, potentielle Mitarbeitende ansprechen und Fragen beantworten. Bürgernahe und serviceorientierte Kommunikation verbessert die Beziehung, fördert Vertrauen und poliert das Image. Auch für Kommunen mit geringen Ressourcen ist die erfolgreiche Social-Media-Kommunikation möglich, es benötigt Professionalisierung, Zeit, Verständnis von den Kolleg:innen und eine strategische Ausrichtung, für die es helfen kann, nicht geschlossen zu arbeiten, sondern mit anderen Kommunen zusammen Ideen auszutauschen oder zu adaptieren. Fortbildungen sind empfehlenswert, vor allem Smart-Learning-Programme, in denen gemeinsam ein Konzept entwickelt wird.
Quellen
Ainetter, Wolfgang/Germann, Christiane (2021): Social Media für Behörden. Wie Bürgerkommunikation heute funktioniert auf Facebook, Instagram, Twitter, TikTok, LinkedIn und Co. (1. Auflage). Rheinwerk Verlag.
Bornschein, Björn (2020): #öffentlicherdienst – social media und die zukunft der öffentlichen verwaltung. wieso die öffentliche verwaltung in zeiten des demographischen wandels “lit” werden sollte. In: Schriften zur Allgemeinen Inneren Verwaltung, Band 31, 130 Seiten.
Weiterführende Links
Amtshelden Programm
Kleinstadtniveau-Podcast
LinkedIn von Daniela Vey
https://infodesignerin.de/
LinkedIn von Julia Lupp
LinkedIn von Anna Carla Springob:
Empfohlene Blogs zu Social-Media-Themen: