In den Korridoren der öffentlichen Verwaltung, wo Tradition zunehmend auf Innovation trifft, ist der Ruf nach Wandel lauter denn je. Die Anforderungen an Behörden und Ämter haben sich durch rapide technologische Entwicklungen und steigende Erwartungen der Gesellschaft an öffentliche Verwaltungsleistungen grundlegend verändert. Doch wie navigiert man durch die komplexen Gewässer des Wandels in einer Umgebung, die von bürokratischen Strukturen und teils langwierigen Prozessen geprägt ist?
Wir tauchen ein in die Welt des Change Managements in der öffentlichen Verwaltung, enthüllen Herausforderungen, beleuchten bewährte Methoden und zeigen die Verantwortung, die in Zeiten des Wandels auf den Schultern von Führungskräften liegt. Dies ist Teil II unserer Serie über Change Management: Im ersten Teil geht es darum, was Change Management im Kern überhaupt bewirken soll.
Der Wandel in der Verwaltung ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern eine Chance, ein modernes, effizientes und serviceorientiertes Ökosystem von und für die Gesellschaft zu gestalten. Ein genauer Blick auf diese Dynamik wird durch die Expertise von Change Manager und Professor Markus Kaiser gewonnen. Kaiser hat zahlreiche Veränderungsprozesse begleitet und erforscht. Zusätzlich liefert Dr. Dorit Bosch interessante Einblicke. Sie ist Verwaltungsinfluencerin, Podcasterin sowie langjährige Bundesbeamtin und Juristin, die inzwischen als Coach Behörden bei der Transformation unterstützt. Beide Expert:innen liefern faszinierende Einblicke, die über herkömmliche Managementansätze hinausgehen.
Was war nochmal Change Management?
Change Management bezeichnet grundsätzlich den Prozess der Begleitung von Personen durch komplexe oder herausfordernde Veränderungsprozesse. Diese Begleitung kann von externen oder internen Berater:innen gestaltet werden, oder auf Projektebene methodisch verankert werden. Sie zielt darauf ab, Veränderungen nachhaltig und mit Teilhabe der Betroffenen zu etablieren. Sie umfasst bspw. eine Begleitung bei der Einführung einer neuen Software, bei der Umstellung von Akten auf E-Akten oder auch beim Übergang von Einzelbüros zu Großraumbüros.
Das zentrale Modell des Change Managements
Das ADKAR- Modell ist im Bereich des Change Managements eine bewährte Methode, um eine Organisation oder eine Behörde durch einen Veränderungsprozess zu begleiten. Zunächst wird, wie von Change Manager Prof. Markus Kaiser erläutert, eine Ist-Analyse in der jeweiligen Behörde durchgeführt, um das aktuelle Stimmungsbild eines Teams zu erkennen. Danach sollten die Phasen dabei der Reihenfolge nach durchlaufen werden, um auch jeden Mitarbeitenden in den Prozess einzubinden.
1. Awareness– Phase: In der Verwaltung ist es essentiell, zunächst ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Wandels zu schaffen, indem klare und überzeugende Kommunikationsstrategien eingesetzt werden. Dies kann durch regelmäßige Meetings, informative Workshops und visuelle Hilfsmittel wie Infografiken und Praxisbeispiele erfolgen.
2. Desire– Phase: Führungskräfte können den Wunsch der Mitarbeitenden wecken, aktiv am Veränderungsprozess teilzunehmen und ihn zu unterstützen. Dies kann durch die Betonung der positiven Aspekte der Veränderungen, die Einbindung der Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse und die Schaffung einer gemeinsamen Vision erreicht werden.
3. Knowledge– Phase: Die Vermittlung von Wissen in Form von Fortbildungen, Schulungen oder Workshops folgt nach der Schaffung von Awareness und Desire, damit die Mitarbeitenden die neu eingeführten Veränderungen erlernen können. Führungskräfte können dabei gezielte Schulungsprogramme entwickeln, um die benötigten Fähigkeiten und das Verständnis für neue Arbeitsweisen zu vermitteln.
4. Ability– Phase: Nach der theoretischen Wissensvermittlung stellen Führungskräfte sicher, dass die Mitarbeitenden die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen haben, um die Veränderungen erfolgreich in die Praxis umzusetzen.
5. Reinforcement– Phase: Nach der Implementierung der Veränderungen ist es wichtig, diese zu festigen, damit die neuen Arbeitsweisen verankert werden und Mitarbeitende nicht in alte Muster zurückfallen. Dazu gehören bspw. öffentlich sichtbare Anzeigetafeln, die die erfolgreiche Umsetzung verdeutlichen, sowie direktes Feedback der Vorgesetzten, einschließlich Anerkennung und Dank.
Wer Veränderung will, muss auch erklären warum
Der bekannte Autor Simon Sinek, welcher die Verbindung zwischen Führungsverantwortung, Organisationserfolg und den menschlichen Gehirnregionen untersucht, leitet die Förderung des persönlichen Wachstums von dem fundamentalen Prinzip des “Warum” ab. Hierbei führt er das Golden Circle – Modell ein, das betont, den Menschen nicht nur darüber zu informieren, was getan wird, sondern auch das “Warum” zu kommunizieren. Das “Warum” erklärt dabei die zugrunde liegenden Visionen und Ziele, die den Wandel begründen. Das Modell bietet eine tiefgreifende Perspektive, die über oberflächliche Handlungen hinausgeht und auf den tiefen, motivierenden Kräften basiert, die das menschliche Verhalten antreiben.
Das Ziel des Golden Circle Modells ist es, sich vom handlungsnahen äußeren Kreis, der das “Was” repräsentiert, in den zugrundeliegenden goldenen Kreis vor zu trauen, der das “Warum” verkörpert. Der Ursprung des Goldenen Kreises, wie von Sinek erklärt, basiert auf den Prinzipien der Biologie und dem Querschnitt des Gehirns. Demzufolge arbeite unser Gehirn von innen nach außen – Entscheidungen würden vorerst emotional gefällt und später rationalisiert. Ebenso solle die Kommunikation in Veränderungen gestaltet werden: Zuerst müsse erklärt werden, warum sich etwas verändere, bevor dem “wie” und dem “was” Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.
Von Innen nach Außen wandernd, repräsentiert das limbische System, durch seine innere Ausrichtung im Gehirn, das „Warum„ des Goldenen Kreises. Das limbische System verkörpert dabei emotionale Aspekte wie Loyalität, Vertrauen und Entscheidungsfindungen- dies stellt das “Warum” dar. Im Gegensatz dazu steht der Neokortex, der auf der äußeren Ebene agiert und das „Was“ repräsentiert. Der Neokortex ist für die rationale Verarbeitung von Informationen, einschließlich des Denkens und der Verarbeitung von Sprache, zuständig. In Bezug auf die Kommunikation, insbesondere in Führungssituationen, ist es essentiell, nicht nur zu erklären, was sich ändert, sondern vor allem auch das Warum hinter den Veränderungen zu kommunizieren. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine tiefere Verbindung herzustellen, indem man nicht nur die logischen Gründe für eine Veränderung erläutert, sondern auch die emotionalen Motivationen und Ziele.
Golden Circle Modell nach Simon Sinek
1. Goldener Kreis- Warum?: Werte, Visionen, Motivation und Ziele
2. Innerer Kreis- Wie?: Prozess und Art der Umsetzung
3. Äußerer Kreis- Was?: Fakten, Ergebnisse und Produkte
(Quelle: eigene Abbildung, erstellt nach Simon Sinek)
Die Idee besteht darin, dass die Menschen eher von Emotionen und Überzeugungen angesprochen werden, als nur von Fakten. Sinek argumentiert, dass diese Kommunikation nicht nur für die externe Kommunikation wichtig ist, sondern auch für die interne, um wirkungsvolle Veränderungen zu bewirken. Indem das “Warum” klar und überzeugend kommuniziert wird, können nicht nur rationale Überlegungen, sondern auch emotionale Aspekte angesprochen werden. Dies führt zu einer stärkeren Identifikation und Akzeptanz der Veränderungen, da die Mitarbeitenden nicht nur die Oberfläche des “Was” verstehen, sondern auch die zugrunde liegenden Werte und Ziele, die das “Warum” repräsentieren. Daher bleibt in allen Phasen des Prozesses eine kontinuierliche und sorgfältige Kommunikation unerlässlich, um das persönliche Wachstum des Menschen zu fördern und die gewünschten Veränderungen erfolgreich umzusetzen.
“Leadership erfordert zwei Dinge: eine Vision von der Welt, die es noch nicht gibt, und die Fähigkeit, sie zu kommunizieren.“
– Simon Sinek
Die Rolle der Führungskräfte
Wenn alles sich zu verändern scheint, schauen Betroffene zuerst zu ihren Führungspersonen. In Ihnen sehen sie die Verantwortung, eine Richtung zu bestimmen, und bringen Ihnen das Vertrauen entgegen, sie sicher ans “andere Ufer” der Veränderung zu bringen. Die Basis eines erfolgreichen Change Managements ist daher eine Kommunikation, die auf Offenheit, Vertrauen und Empathie aufbaut. Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, nicht nur Informationen zu übermitteln, sondern auch ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende Bedenken äußern können. Auch Personen, die neben “offiziellen” Führungskräften stehen, können eine wichtige begleitende Rolle bei Veränderungsvorhaben einnehmen. Transparente, ehrliche Kommunikation schafft nicht nur Klarheit, sondern fördert das Vertrauen aller Kolleg*innen.
“Die Führungsposition ist ein Privileg und kein Recht.”
– Dr. Dorit Bosch
Persönliches Wachstum ist in Veränderungsprozessen wichtig, da es die Anpassungsfähigkeit, Resilienz, Selbstbewusstsein, Lernbereitschaft und zwischenmenschliche Fähigkeiten fördert, die für eine erfolgreiche Bewältigung neuer Herausforderungen unerlässlich ist.
Strategien zur Umsetzung von Change Management
Um ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Wandels zu schaffen, stehen viele bewährte Methoden zur Verfügung. Es besteht die Möglichkeit, diese Methoden auf kreative und vor allem maßgeschneiderte Weise an die Anforderungen der jeweiligen Organisation anzupassen. Die Ist -Analyse, das Stimmungsbild und die Dynamik innerhalb eines Teams können beispielsweise durch moderierte Gruppengespräche oder qualitative Leitfadeninterviews mit externen Berater:innen durchgeführt werden, wie von Prof. Markus Kaiser beschrieben. Um bspw. den Wechsel von Einzelbüros zu einem Multispace- Großraumbüro kreativ zu gestalten, bietet sich ein Workshop zur Festlegung von sog. “Spielregeln” an. Dieser ermöglicht es den Mitarbeitenden, aktiv teilzunehmen und die Regeln für den neuen Raum mitzugestalten, um den Übergang zu erleichtern. Um sicherzustellen, dass die Phase 5 (Reinforcement) gewährleistet ist, kann die Methode des Change Barometers effektiv eingesetzt werden. Durch wöchentlich gezielte Fragen an die Mitarbeitenden wird über Monate hinweg erhoben, ob die Veränderung nachhaltig Zustimmung finden konnte.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei einem Change-Management-Projekt nicht alle Mitarbeitenden von Anfang an überzeugt sind, oder gar den Veränderungen skeptisch gegenüberstehen. In solchen Fällen können gezielte Ansätze und Strategien angewendet werden, um Knoten der Resistenz aufzulockern und ein Verständnis für den Wandel zu schaffen. Für eine erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen ist eine geplante und strategische Herangehensweise hilfreich, um sicherzustellen, dass Veränderungen nicht nur effektiv, sondern auch nachhaltig Anklang finden. Insbesondere könnte es von Vorteil sein, negative Vorerfahrungen im Vorfeld zu erhören und klar abzugrenzen, um zu gewährleisten, dass historische Vorurteile keine unberechtigten Auswirkungen auf neue Veränderungen haben.
Bei Veränderungsvorhaben gilt es, Unkarheit und Ungewissheit auf ein Minimum einzugrenzen. Hier greift das Konzept der “Single Source of Truth”, welches sicherstellt, dass alle Beschäftigten aus einer einzigen, zuverlässigen Quelle informiert werden. Diese Quelle könnte beispielsweise sein:
Eine zentrale Webseite, die aktuelle News über die Veränderung bereitstellt, sowie eine Übersicht aller autoritativen Informationsquellen bietet.
Moderne Medien nutzend, kann dies heute auch zum Beispiel ein Podcast oder Chatbot sein
Ausgewiesene Ansprechpersonen oder Vorgesetzte, die klare Informationen zu den Veränderungen geben.
eine interne Hotline zur Auskunft über Fragen über die Veränderung.
Eine E-Mail-Adresse für Fragen.
Ein spezifisches Büro oder ein Ort, wo Informationen erhältlich sind und Ansprechpersonen aufzufinden sind.
Die Festlegung auf eine solche Kommunikationsinfrastruktur ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Anliegen offen zu äußern, sich jederzeit zu informieren, und schafft so eine unterstützende Umgebung für den Umgang mit Bedenken. Eine konsequente Umsetzung dieser und weiterer Maßnahmen vermittelt Kompetenz in der Veränderung, baut Vertrauen auf und verringert den Raum für Unklarheit und Missverständnisse.
“Generell sagt man …man kann keine Institution verändern, man kann nur einzelne Mitarbeiter in der Institution verändern. Da muss man schauen, möglichst viele Mitarbeiter zu ‘verändern’, um eine Gesamtveränderung hinzubekommen.”
– Prof. Markus Kaiser
Einen letzten Hinweis geben uns die Change-Manager. In Gruppengesprächen bestehe die wertvolle Möglichkeit, Einzelpersonen zu identifizieren, die die Gruppe emotional abholen, motivieren und zum Wandel anregen. Diese Personen stärker in Veränderungsprozesse einzubinden, sei unter den Erfolgsfaktoren. Wenn es sich dabei sogar um Personen handelt, die zuvor eine kritische Haltung gegenüber der Veränderung hatten, nun jedoch ihre Unterstützung bekunden, sei das besonders wirksam, um alle Beteiligten für Veränderungen zu gewinnen. Das Zelebrieren der eigenen “Erfolgsgeschichten” über den Verlauf einer Veränderung sei kontinuierlich wichtig, um die Veränderung nach innen und außen wirksam zu vertreten.
Fazit
Führungskräfte, die den digitalen Wandel in ihrer Organisation vorantreiben wollen, stehen vor vielen Hürden, Veränderungen umzusetzen und langfristig tragbar zu gestalten. Als zentral stellt sich beim Begleiten von Veränderungen die klare, transparente Kommunikation dar, welche einen tiefen Fokus auf das “Warum” der Veränderung legen sollte, um das Vorhaben vertretbar und fundiert begründen zu können. Die Kommunikation kann in operativen Strukturen wie Webseiten, Hotlines und ausgewiesenen Ansprechpersonen verankert werden, welche als verantwortungsvolle Wahrheits- und Informationsquelle dienen, um Unklarheiten und Missverständnisse zu minimieren. Auf Kritiker:innen solle gezielt eingegangen werden, um ihre Stimme zu erhören und für die Verbesserung der Veränderungen zu bündeln. Auf diese Weise können Führungskräfte Maßnahmen ergreifen, die es ihnen erlauben, die Beteiligten, die sich ihnen anvertrauen, sicher und verantwortungsvoll ans “andere Ufer” von Veränderungen zu bringen. Gelegenheiten, die sich ergeben, auch das persönliche Wachstum von Beteiligten zu fördern, sollten unbedingt ergriffen werden. Let’s rock the change! 🚀✨
Weiterführende Links
Simon Sinek (S.Kuper) [trans.] Leadership requires two things: a vision of the world that does not yet exist and the ability to communicate it.
Wie große Führungspersonen inspirieren – Simon Sinek
The Golden Circle- Simon Sinek
You-Tube: TED Talk Simon Sinek
Website- Simon Sinek
Digitale Transformation der Verwaltung – Empfehlungen für eine gesamtstaatliche Strategie
Die Bundesregierung- Change Management innovativ