Was hat Open-Source in der Verwaltung zu suchen?

Warum viele Verwaltungen von Open-Source Gebrauch machen.

Best-Practice, Strategisch, Technologisch

18. Juli 2023

Kim-Marie Röller & Finnigan Lutz

Die öffentliche Verwaltung steht vor großen Herausforderungen. Bürger:innen erwarten mehr digitale Präsenz, Sicherheit und Bürgernähe von ihren Behörden. Gleichzeitig müssen die Verwaltungsprozesse effizienter, transparenter und kostengünstiger gestaltet werden. Um diese dringende Problematik richtig anzugehen, braucht es jetzt vor allem eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie, die alle Verwaltungsebenen und -bereiche einschließt. In diesem Beitrag wollen wir Ihnen zeigen, wie Open-Source-Software dabei eine wichtige Rolle spielen kann.

Lock-In Effekte verursachen Kosten in Millionenhöhe

Microsoft hat  zum 1. April 2023 seine Preise erneut angehoben, dieses Mal um mehr als zehn Prozent für seine Cloud-basierten Dienste. Geschätzt können sich dadurch, je nach Größe der Anwender dieser Dienste, Mehrausgaben in Millionenhöhe ergeben. Preissteigerungen wie diese kommen inzwischen immer häufiger vor und betreffen nicht nur die freie Wirtschaft, sondern auch die öffentliche Verwaltung, die für die Administration von großen Datenmengen auf entsprechende Software-Lösungen angewiesen ist.

Im Fall Microsoft ist die Rede vom sogenannten “Lock-In Effekt”, wo ein Software-Anbieter durch eine Monopolposition am Markt die Preise beliebig erhöhen kann. Ob dieses Verhalten Microsoft weiterhin erlaubt sein soll, wird nun seit Ende März 2023 vom Bundeskartellamt untersucht. Solche Monopole entstehen jedoch nicht nur für große Konzerne, sondern auch bei kleineren Unternehmen, die ihre Kunden in eine Abhängigkeit zwingen können. Um dies zu vermeiden, setze man mittlerweile auf Produkte und Software, die keinem einzelnen Anbieter gehören, sondern der breiten Öffentlichkeit.

Open-Source wird häufig falsch verstanden

Bei Open-Source handelt es sich um mehr als eine Software-Lizenz – vielmehr kann es als eine Philosophie bezeichnet werden, die auf Transparenz, Zusammenarbeit und Innovation basiert. Wie der Name verrät, muss der Quellcode von Software frei zugänglich und veränderbar sein, sodass jeder ihn nutzen, verbessern und weitergeben kann. 

Diese unscheinbare Differenzierung birgt gewaltiges Potenzial – dennoch ist der Begriff in der Wahrnehmung der Verwaltung weiterhin von Vorurteilen belastet. Open-Source-Software sei riskant, und man brauche viel technische Erfahrung, um sie einzusetzen. Gegen diese Haltung argumentieren jedoch mittlerweile sogar offizielle Stellungnahmen des BSI.

Demnach ist Open-Source mindestens genauso sicher wie die lizenzierte Software von privaten Anbietern. Grund dafür ist primär, dass der Quelltext der Software im Rahmen einer “Community” unabhängiger Programmierer entwickelt wird und jeder einzeln mit seinem Namen für die Sicherheit seiner Software verantwortlich ist.

“Die Ansicht, Open Source sei nur die Bastelei von ”irgendwelchen Kellerkindern”, ist längst überholt.”

– Finnigan Lutz, Gründer und Geschäftsführer, ZdoV

Was Open-Source wirklich verändern kann

Ohne um den “heißen Brei” zu reden, sind hier die Kernvorteile, die ein Einsatz von Open-Source in der Verwaltung hat, und die erklären, warum immer mehr Verwaltungen auf Open-Source setzen, um langfristige und nachhaltige Digitalisierungsstrategien aufzubauen.

  • Von Abhängigkeiten befreien: Einer 2020 veröffentlichten Studie nach gaben fast 90 Prozent der teilnehmenden Kommunen an, dass sie sich teilweise oder sogar vollständig in kritischer Abhängigkeit von proprietären Software- und Cloudanbietern einschätzen. Solche Abhängigkeitsverhältnisse gefährden die Souveränität des Staates, da dieser jederzeit die Kontrolle über seine Daten behalten muss, um digital selbstbestimmt agieren zu können. Open-Source bietet hier eine Alternative, da Programme unabhängig von beherrschenden Anbietern stehen.

  • Kosten einsparen: Durch den Einsatz von Open-Source-Software können Ausgaben deutlich reduziert werden. Auch wenn die Software nicht komplett kostenlos ist, sondern nur die Verfügungsrechte daran, ist der Ansatz in der Regel günstiger als der Einkauf bei großen Software-Anbietern, da bei Open-Source lediglich Entwicklungs- und Wartungskosten anfallen. Weitere Kostenvorteile entstehen durch offene Standards und die hohe Flexibilität, da der Programmiercode frei veränderbar ist.

  • Sicherheit erhöhen: Open-Source-Software gilt trotz, oder gerade wegen, ihrer frei einsehbaren Codes als besonders sicher. Wo geschlossener Code das Auffinden von Sicherheitslücken erschwert, ist bei Open-Source der Code für alle in einem Repository einsehbar und Fehler werden von vielen Augen schneller entdeckt. Open-Source bedeutet jedoch nicht automatische Sicherheit: die Sicherheit einzelner Anwendungen muss immer fallspezifisch geprüft werden.

  • Transparenz schaffen: Transparenz im Code sorgt vor allem für die Auditierbarkeit: die Fähigkeit zu überprüfen und zu verifizieren, dass Programme auch wirklich das tun, was sie sollen. Wenn Außenstehenden die Quellcodes verborgen werden, ist ein sicherer Umgang mit vertraulichen Bürgerdaten nicht vollständig nachweisbar. Die Transparenz von Open-Source stärkt das bürgerliche Vertrauen und ist ein Weg, die Verpflichtung, demokratischen Idealen gerecht zu werden, zu erfüllen.

  • Innovation fördern: Bisher konnte sich Open-Source-Software als sehr innovationsfähig und -freudig erweisen. Dies liegt primär an gemeinsamen Netzwerken, wie dem Open CoDE Netzwerk des BSI, welche den offenen Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen Kommunen, Ämtern und Einrichtungen ermöglichen. In Kombination mit modernen Versionskontrollsystemen wie GitLab können neue Ideen kollaborativ getestet werden und Innovationszyklen kurz gehalten werden.

Der Trend wächst

In jüngster Zeit kann sich das Thema Open-Source von seinem Stigma befreien und bekommt zunehmend aufgrund seiner Vorteile Unterstützung auf Bundes- und Landesebene. In Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Thüringen ist die vorrangige Beschaffung von Open-Source Lösungen in der Verwaltung bereits gesetzlich verankert. 

Unsere Empfehlung: Sich ein eigenes Bild über die Thematik machen, und bei der nächsten Gelegenheit, bei der Sie den Begriff “Open-Source” hören, nachzuprüfen, ob die oben aufgelisteten Vorteile auch Ihnen zugutekommen. In unserem nächsten Beitrag zu Open-Source gehen wir anhand eines Praxisbeispiels durch, wie die Philosophie von Open-Source heutzutage in der Verwaltung umgesetzt wird.

WEITERFÜHRENDE LINKS

Open-Source Übersicht des BSI
Was sind offene Standards?
Warum brauche ich informationelle Selbstbestimmung?

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