Top-down und Bottom-up Leadership

Wie gestaltet sich modernes Leadership im öffentlichen Dienst?

Best-Practice, Praxistipps, Strategisch

12. Februar 2024

Joel Pfleger & Sophie Ittenbach

In Zeiten einer dynamischen Veränderung moderner Arbeitsverhältnisse steht auch die Führung des öffentlichen Dienstes vor neuen Herausforderungen. Von der Regierungsebene bis zu kommunalen Behörden zeigt sich ein Wandel, bei dem neue Arbeitsweisen und Technologien ein bestimmtes Maß an Agilität erfordern. Traditionell-hierarchische Top – Down Strukturen stoßen bei diesen Anforderungen zunehmend an Ihre Grenzen.  

“Top-down hat schon Projekte scheitern lassen”, beklagte sich vor Kurzem eine Dezernentin für Digitalisierung bei uns im Interview. Es lohnt sich daher, alternative Führungsansätze, wie die des Bottom-up, zu erkunden. Allerdings genießen neue Führungsmodelle nicht immer große Aufmerksamkeit, da sie oft in Kontrast, und in Konflikt, mit den vertikalen Strukturen im öffentlichen Dienst stehen – Stichwort: Dienstweg. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, einen genauen Blick auf die verschiedenen Ansätze von Leadership im öffentlichen Dienst zu werfen und einen fundierten Ausblick darauf zu geben, warum Bottom-up Leadership in der Verwaltung zwar strukturell nicht vorgesehen ist, jedoch für eine moderne Verwaltung unabdingbar ist.

Top-down Leadership

Grundlegend versteht man unter Top-down Leadership, dass Entscheidungen von oben verordnet werden, und daraufhin an die darunter stehenden Ebenen zur Erledigung abgegeben werden. Dieser altbekannte und traditionelle Leadership- Ansatz zeichnet sich durch eine klare Struktur aus, in welcher die Kommunikation meist nur unidirektional fließt: von oben nach unten. Trotz der Option von “Reports” oder Berichten nach oben, fördert dieser Ansatz jedoch nicht die Kreativität, Flexibilität oder die Selbstwirksamkeit von Mitarbeitenden, ihre Probleme eigenständig zu lösen. Die starre Ausführung von Anweisungen führt im Allgemeinen zu einem geringeren Engagement, einer Erstickung von Eigeninitiative und einer verringerten Nähe zur Führungskraft.

Bottom-up Leadership

Im Kontrast zum top-down Ansatz, zeichnen sich Bottom-up Ansätze durch das  Fehlen klassischer hierarchischer Strukturen und  ein höheres Maß an kreativer Freiheit aus, was unter anderem auch zu einer Verbesserung der Arbeitsatmosphäre und der Selbstidentifikation mit der Arbeit führt. Zudem können durch Rückfragen und Feedback aufgeklärte Entscheidungen getroffen werden. Bottom-up bedeutet nicht, dass alle “kreativ” anfangen zu basteln, ohne dass die Aufgaben jemals erledigt werden! Vielmehr geht es darum, betroffene Mitarbeitende an Entscheidungen zu beteiligen – selbst wenn die strenge Effizienz einer top-down Hierarchie nicht mehr besteht.

Welcher Leadership-Stil ist der Richtige?

Die Frage nach dem „richtigen“ Leadership Stil ist eine Herausforderung, die letztendlich keine eindeutige Antwort kennt. Vielmehr ist es ein individueller und persönlicher Weg, den jede Führungskraft für sich selbst entdeckt und abwägt. Sowohl Top-down als auch Bottom-up Ansätze bringen ihre Stärken und Hürden mit sich, und man sollte sich von guten Ansätzen bedienen, egal woher sie kommen.

Top-down Leadership Stile zeichnen sich durch klare Prozesse und strenge Entscheidungen aus und sorgen damit für eine effiziente Durchführung von Aufgaben. Allerdings unterdrückt so ein “Chef mit dem sprichwörtlichen Knüppel” gleichzeitig das Potential seiner Mitarbeitenden zur Kreativität, Selbstentfaltung und Eigeninitiative. Bottom-up Leader hingegen bieten ihren Leuten ein höheres Maß an Freiheit und fördern eine stärkere Einbindung aller in Entscheidungsprozesse. Hierbei dauern Prozesse und Entscheidungsfindungen ( Kompromisse!) durchaus länger, allerdings trägt der Ansatz doch zu einer stärkeren Identifikation mit der Arbeit bei und verringert das Risiko, dass Mitarbeitende bereits mit 25 in die “mentale Rente” gehen.

Die Kunst liegt darin, die optimale Balance zu erkennen, die den Bedürfnissen und Dynamiken der Mitarbeitenden, als auch der Organisation gerecht wird. Wir schildern in folgenden Praxisbeispielen, wie Akteure aus der Verwaltung diese Balance für sich finden konnten und wie eine erfolgreiche Verheiratung von Top-down und Bottom-up aussehen kann. 

Leadership-Beispiele aus der Praxis

Grundsätzlich gibt es verschiedene Interpretationsmöglichkeiten von Bottom-up Leadership Ansätzen. In  der Stadtverwaltung in Aarhus (Dänemark) zum Beispiel erfolgt Führung lediglich über eine vorgegebene Wertekultur, in der Mitarbeitenden ihr eigener kreativer Raum und eine lockere Fehlerkultur eingestanden wird. Im Gegensatz wird in Aarhus jedoch auch die Selbststrukturierung des eigenen Arbeitsprozesses sowie  das Einbringen in gesamtorganisatorische Prozesse erwartet. 

Bei unserer Recherche sind wir zudem auf ein spannendes Praxisbeispiel vom DO.IT – Amt für Digitalisierung, Organisation und IT in Stuttgart gestoßen, in welchem Bottom-up Leadership nicht durch den Verzicht vertikaler Strukturen, sondern durch die Einrichtung von vertikalen Feedbackprozessen realisiert wurde. Für das anonyme Feedback der Mitarbeiter:innen an alle Manager:innen wird dabei auf eine offene und persönliche Ansprechbarkeit der Führungspersonen sowie auf die Einführung einer Duz- Kultur zurückgegriffen. Daraus resultierte nicht nur eine bessere Unterstützung der Führungskräfte, sondern auch die Möglichkeit, Prozesse auf oberer Ebene durch ein Mitwirken der unteren Hierarchieebene zu überprüfen und zu optimieren.

Selbstredend wäre ein Praxisbeispiel wie in Aarhus, unter anderem aufgrund historisch gegebener vertikaler Strukturen und der deutschen Verwaltungskultur, nur unter besonderen Bedingungen umsetzbar. Mehrere Expert:innen gaben uns in Interviews jedoch an, dass durchaus eine Notwendigkeit für die Implementierung von Ansätzen eines Bottom-up Leadership- Modells besteht. Hierbei soll es Sachbearbeitenden zum Beispiel im Sinne eines Zielvereinbarungsprozesses möglich gemacht werden durch Projektvorgabe, aber größtenteils ohne Einbindung der Führungskraft, ihren kreativen Freiraum zu entfalten. 

Es gilt jedoch zu beachten, dass in allen Fällen das persönliche Profil der Führungskraft und die Teamatmosphäre entscheidend sind. Da Bottom-up ein sogenanntes “Empowerment” der Angestellten mit sich bringt, gilt sowohl deren Kompetenz sowie Motivation, Projekte größtenteils eigenständig zu bearbeiten, als Grundvoraussetzung. Führungskräfte müssen in der Lage sein, Vertrauen zu fördern und die aktive Selbstbestimmung ihrer Mitarbeitenden zu unterstützen, aber gleichzeitig auch die Strukturen bereitzustellen, die für die übergeordnete Zielerreichung notwendig sind.

Wie kann ich eine Bottom-Up Führungskultur leben?

Wenn die Arbeitsumgebung zunehmend nach einer Bottom-up Führung verlangt, stellt sich die Frage, wie man eine solche Kultur erfolgreich leben kann. Hierzu nur ein paar Beispiele: 

  • Implementierung von Hotlines, Whistleblowing – Systemen und anonymen Feedback Kasten – tragen dazu bei, Mitarbeitenden eine Stimme zu geben und den Dialog auf Augenhöhe zu fördern.
  • Ganz banale Maßnahmen, wie Teamevents oder eine offene Bürotür als Standard – Praxis signalisieren Zugänglichkeit und schaffen Raum für spontane Interaktionen und Austausch.
  • Bewusst auf Hierarchie-Symbole verzichten – z.B. das Tragen von unterschiedlichen Uniformen oder Essen in separaten Kantinen. Darüber wird eine Atmosphäre der Gleichheit und Zusammenarbeit gefördert anstatt ein „sich über den Anderen stellen“.
  • Transparenz und persönliche Nahbarkeit – Führungskräfte können Einblicke in ihre Arbeit gewähren, indem sie Geschichten teilen, über Highlights, Lowlights und die eigenen Fehler reden oder indem sie regelmäßige Feedbackrunden wie eine „Fuck-Up Night“ einführen.
  • Übertragung von Verantwortung – durch die Delegation kleiner Aufgaben an die Mitarbeiter: innen wird dessen Selbstbewusstsein und die Motivation gestärkt.
  • Kollektive Entscheidungen – z.B. über „Personalisierungen“ wie Wandfarben und Einrichtungsgegenstände können als Chance genutzt werden, seine Mitarbeitenden aktiv einzubinden und ein Gefühl der Zugehörigkeit und Mitbestimmung zu schaffen. 

Im Allgemeinen lässt sich sowohl ein Trend, als auch eine Notwendigkeit in Richtung der Verwendung von Bottom-up Leadership Ansätzen feststellen. Im Idealfall gelingt hier der Spagat, der es möglich macht, die strukturellen Vorteile von Top-down Leadership mit der Selbstwirksamkeit und persönlichen Nahbarkeit von Bottom-up Leadership zu kombinieren. Bottom-up Leadership Ansätze können je nach Organisation, Team und Führungskraft in verschiedenen Formen auftreten, es liegt jedoch an der Führungskraft, den Raum und Rahmen hierfür zu schaffen und die entsprechenden Ansätze auch in der Realität zu implementieren.


Weiterführende Links

egovernment Podcast – Moderne Verwaltung in Aarhus
DO.IT – Amt für Digitalisierung, Organisation und IT 
„FuckUp Night“ im Rhein-Kreis Neuss 
Top-down-Management vs. Bottom-up-Management: Was ist der Unterschied? 
Ansätze für Veränderungen: Top-down bottom-up oder doch ganz anders?
Was taugt das Bottom-up-Prinzip?

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