How to Open Source

Wie Open-Source in der kommunalen Praxis umgesetzt wird.

Best-Practice, Strategisch, Technologisch

5. September 2023

Kim-Marie Röller

Schon lange gefordert und endlich im Koalitionsvertrag von 2021 zwischen SPD, Grünen und FDP beschlossen, soll bei der Vergabe öffentlicher IT-Projekte Open-Source-Software gegenüber anderen priorisiert werden. Zuerst erfreut, inzwischen jedoch enttäuscht ist davon die Open-Source Community, denn bis auf ein knappes Bekenntnis zur Software, folgten seitens der Regierung seitdem keine weiteren Statements.

Auch bei der Vergabe kommunaler Projekte zeigen sich augenscheinlich wenig Veränderungen, sodass Open-Source-Software nicht häufiger den Zuschlag bekommt, als auch schon vor den angekündigten Veränderungen. Hinzukommt, dass sich bei den Entscheidungsträger:innen weiterhin hartnäckig die Vorstellung hält, Open-Source-Projekte sein zu unsicher und aufwendig (siehe Bitkom, pp. 51 ff.). Daher soll im Folgenden ein Beispiel aus der kommunalen Praxis vorgestellt werden, um erste Fragen zur Thematik zu beantworten und Unterstützung bei den ersten praktischen Schritten mit Open-Source-Software zu bieten.

Open-Source in der Praxis einsetzen

Open-Source-Software kann die kommunale Praxis auf vielfältige Weise bereichern. Konkret bedeutet das, öffentliche Verwaltungen haben die Chance, Abhängigkeiten und Kosten zu reduzieren, Sicherheitsstandards durch einen transparenten Umgang mit personenbezogenen Daten zu erhöhen, aber auch durch mehr Flexibilität ein besseres Innovationsklima zu schaffen.

Eine Stadt, welche diese Vorteile erkannt hat und von ihnen profitieren möchte, ist Dortmund. Nachdem im Rahmen der Arbeitsgruppe „Freie Software“ alle notwendigen Grundlagen erarbeitet wurden, hält das Memorandum Digitalisierung 2020 bis 2025 fest: Dortmund will Open-Source-Software!

Wie genau es dazu kam und welche Voraussetzungen es für dieses Vorhaben benötigt, hat uns Christian Nähle, Geschäftsführer der Bürgerinitiative DO-FOSS, verraten. Denn gerade, weil die Initiative seit fast zehn Jahren aktiv mit der Stadtverwaltung zusammenarbeitet, weiß Herr Nähle, dass vor allem drei Schritte bedacht werden müssen, damit Open-Source-basierte Projekte Erfolg haben können.

  • Als Erstes braucht es Transparenz! Sicherheits- und Kostenfaktoren der aktuellen Software müssen für Mitarbeiter:innen sowie Bürger:innen nachvollziehbar dargestellt werden und es muss erklärt werden, warum Open-Source als nachhaltige Problemlösung dienen kann.

  • Anschließend steht die Motivation der Mitarbeiter:innen, Open-Source-Projekte zum Erfolg zu bringen, im Fokus. Da sie als Erstes vom Softwarewechsel betroffen sind und auch am meisten Arbeit in die Veränderungen investieren, sind sie sozusagen der wichtigste Erfolgsfaktor des Wandels.

  • Ebenfalls sollte das Interesse der Bürger:innen an geplanten Veränderungen geweckt werden. Erreicht wird dies vor allem durch Möglichkeiten zur Teilhabe, in Form von Feedback-Phasen und einer harmonischen Außendarstellung der Verwaltung, was besonders das Sicherheitsgefühl stärkt. Aktives Einholen von Feedback durch Nutzer:innen ermöglicht neben einer besonders anwenderfreundlichen Umstellung auch ein zielgerichtetes Vorgehen in der Softwareentwicklung.

Dortmund goes Open-Source

Inzwischen gehört die Stadt Dortmund zu den Vorreitern in Deutschland, wenn es um den Einsatz von Open-Source-Software geht. Ganz nach dem Prinzip Public Money – Public Code arbeitet die städtische Verwaltung am Ausstieg aus dem proprietären Zeitalter, einer politischen Zeitenwende. Unterstützt durch die Initiative DO-FOSS befindet sich seit Anfang 2023 die Koordinierungsstelle Digitale Souveränität und Open Source im Aufbau, welche zukünftig fall- und fachspezifische Handlungsempfehlungen bei Open-Source-Projekten bieten soll, auch für andere Kommunen.

Aktuell läuft der Vergabe- und Beschaffungsprozess von Open-Source-Software-Lösungen über verschiedene Wege. Eine Option öffentliche Software zu beziehen ist es, bereits existierende Open-Source-Software zu nutzen, ohne diese vorher vergaberechtlich auszuschreiben. Dies ist möglich, da für das Beziehen bereits existierender und freier Lösungen kein Entgelt mehr gezahlt werden muss, solange die Lizenz- und Nutzungsbedingungen eingehalten werden. Eine immer bekannter werdende Alternative, ist es die Ausschreibung über die Plattform Open CoDE durchzuführen. Hier werden ebenfalls in einem Repository alle Software-Projekte veröffentlicht und können von anderen registrierten Teilnehmer:innen genutzt werden.

Aber nicht alles läuft rund

So simpel die Beschaffung von geeigneter Open-Source-Software auf den ersten Blick scheinen mag, ist sie leider noch nicht. Denn im Vergaberecht für öffentliche Projekte wird der Softwaretyp nicht ausdrücklich erwähnt und lässt damit einige Fragen für kommunale Entscheidungsträger:innen unbeantwortet. Ein weiteres Hindernis, auf welches Herr Nähle hingewiesen hat, ist, dass die Open-Source-Community der öffentlichen Verwaltung aktuell noch aus einem relativ kleinen Netzwerk besteht. So sehr Open-Source von vielen Seiten geschätzt wird, wird auch oft übersehen, dass freie Software eben doch kein Selbstläufer ist. Denn aller Freiheiten entgegen braucht es immer eine Form der Wartung, damit eine Software auch für die kontinuierliche Anwendung sicher bleibt.

Die Best-Practices aus Dortmund

Es kann und muss natürlich nicht jede:r das Ziel haben, die gesamte eigene Verwaltung auf Open-Source umzustellen. Denn auch wer den Softwaretyp Open-Source erstmal in kleinem Rahmen ausprobieren möchte, kann von den Erfahrungen in Dortmund profitieren. Herr Nähle rät daher zu folgendem Vorgehen, wenn die drei oben genannten Grundvoraussetzungen bereits vorhanden sind:

Grundsätzlich startet man immer mit einer Bestandsaufnahme der bestehenden Software-Landschaft und den Anforderungen an die künftigen IT-Lösungen. Anschließend folgt die Evaluation der verfügbaren Open-Source Alternativen für die benötigten Funktionen und Anwendungen. Beide Schritte sind unumgänglich, um eine stabile Grundlage für den Ersteinsatz oder gar eine Migrationsstrategie, für den Wechsel von proprietärer zu Open-Source-Software, zu schaffen. Geht es in die konkrete Umsetzungsphase, gilt zu beachten, dass sowohl die technische Umsetzung als auch die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inbegriffen sind.

Tipp: In der Dortmunder Verwaltung wird neben Open-Source auch intensiv auf das Konzept der Digitallotsen gesetzt. Individuell aufzubauen und leicht zu etablieren hilft das Lotsenkonzept auf vielseitige Weise bei der nachhaltigen Digitalisierung der Verwaltung.

Funktioniert Open-Source auch in der Praxis?

Das Beispiel der Stadt Dortmund zeigt, dass Open-Source-Software mittlerweile in der kommunalen Praxis Fuß gefasst hat, und eine attraktive Alternative zur herkömmlichen Softwarebeschaffung darstellt. Die Erfahrungen aus Dortmund dienen als wertvolle Inspiration für andere Kommunen, die nach innovativen Lösungen suchen, um ihre digitale Infrastruktur effizient und nachhaltig zu gestalten. 

Besonders wichtig sei die Erkenntnis, dass Open Source nicht nur eine technische Entscheidung, sondern auch eine langfristige und strategische ist. Es ist eine Möglichkeit, die öffentliche Verwaltung moderner, transparenter und bürgernäher zu gestalten. Ein Blick in die Zukunft zeigt:

→ Genau das braucht Deutschland!

Öffentlichen Verwaltungen stehen den kommenden Jahren eine Vielfalt von Herausforderungen bevor, und damit diese effektiv angegangen werden können, braucht es jetzt vor allem Mut zur Tat, ein konstruktives Miteinander, sowie eine nach vorn gerichtete, sachliche Auseinandersetzung mit Problemen. Mit diesen Entwicklungen finden sich sicher noch mehr gute Lösungen, um die Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung in Zukunft nachhaltig und erfolgreich zu bewältigen.

Unsere Empfehlung: Werden Sie mit Ihrer Verwaltung aktiv in der Open Source Community. Nicht immer braucht es dafür technisches Know-how, auch ein offener Austausch und Zusammenarbeit treibt den Einsatz von Open-Source-Software in der kommunalen Praxis weiter voran. 

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